Mittwoch, 13. November 2013

Eminem - The Marshall Mathers LP 2 (2013)

5/10

Es gab eine Zeit, in der Eminem der berühmteste Musiker der Welt war. Selbst Menschen, die mit HipHop ansonsten reichlich wenig anzufangen wussten, referierten plötzlich glasigen Blickes über die Genialität der Sprechgesangskunst dieses wasserstoffblondierten Reimemonsters. Im Jahr 2000 war Eminem der heißeste Scheiß. Jede Single ein Hit, jedes Video auf Dauerrotation.

Das Album zum Eminem-Hype hieß "The Marshall Mathers LP", ein neunzehn Tracks umfassendes Feuerwerk, das aus heutiger Perspektive durchaus als maßgeblicher Impulsgeber für die große Rapwelle Anfang des vergangenen Jahrzehnts bezeichnet werden muss. Eminem gelang es nicht nur, die Lücke zu füllen, die 2Pac und Biggie hinterlassen hatten, er gewann den Mainstream für sich. Badboy-Image, Skandale zur rechten Zeit und die extrem einprägsamen Songs taten ihr Übriges.

Die "MMLP" markiert sicherlich den Höhepunkt in Eminems Diskographie. Nie war er relevanter, nie war er besser gewesen. Bald darauf sollte es steil bergab gehen. Spätestens seit dem gruseligen "Comeback-Album" "Relapse" war endgültig der Ofen aus und die Katze erfroren. Auch das 2010er-Werk "Recovery" konnte nur stellenweise davon ablenken, dass sich die Welt ein ganzes Stück weit unter Eminem weggedreht hatte. 

Dass sich Mr. Mathers dessen durchaus bewusst ist, zeigt der Titel seines neuen Albums: "The Marshall Mathers LP 2" hat er es genannt, und wer hier einen Publicity-Stunt wittert, besitzt garantiert nicht die schlechteste aller Nasen. Eminem will und muss sich noch einmal unmissverständlich zu Wort melden, um nicht das Schicksal aller anderen in der Versenkung verschwundenen Pop-Größen zu erleiden - und es bietet sich natürlich an, sich hierbei auf jenes Album zu beziehen, das allen noch am besten im Gedächtnis geblieben ist.

Dass so eine Aktion auch fürchterlich daneben gehen kann, muss nicht ausführlich diskutiert werden. Meat Loaf, Mike Oldfield und Jay-Z sind nur drei von vielen Beispielen für gescheiterte Karrierereanimation durch Leichenfledderung. 

Ein Eminem möchte sich indes nicht nachsagen lassen, nur halbe Sachen zu machen, weswegen bereits im Opener "Bad guy" ein direkter Anschluss zur "MMLP" hergestellt wird: "Stan" ist tot, und dessen Bruder sinnt auf Rache. Der siebenminütige Song ist ein Triumph, besonders der sich famos steigernde Schlusspart muss sich kein bisschen vor vergangenen Großtaten des Rappers verstecken. 

Dass Eminem das Rappen nicht verlernt hat, haben auch seine weniger guten Alben der jüngeren Vergangenheit gezeigt. Das Hauptproblem des Künstlers ist jedoch seit längerer Zeit, dass er nicht mehr wirklich viel Neues zu erzählen hat. Kaum ein anderer ist in der Lage derart virtuos mit Wörtern und Rhythmen zu spielen, und kaum ein anderer ist technisch derart versiert wie Marshall Mathers.

Die pure technische Brillanz von Tracks wie "Rap god" ist daher eindrucksvoll, nur leider verpuffen auch auf der "MMLP2" viele der halsbrecherischen Reimstunts relativ wirkungslos ob der inhaltlichen Wüste, in der sie stattfinden. Spaß macht es definitiv, Mathers bei der Arbeit zu lauschen, richtige Überraschungen bekommt er allerdings nicht mehr auf die Kette.

Fairerweise muss aber angemerkt werden, dass es etliche Songs gibt, die trotz jener eher ermüdenden Aufwärmerei oller Kamellen ("ich bin böse", "meine Kindheit war Mist", "Mama ist die Beste") großen Unterhaltungswert besitzen. So ist beispielsweise das von Rick Rubin produzierte "Rhyme or reason" ebenso catchy wie intelligent gemacht. Beat und Rap ergeben eine swingende Einheit, und selbst ein von Em gesungener Refrain schafft es nicht, einen vom Kopfnicken und Mitsummen abzubringen.

Auch "So far..." (ebenfalls mit Rubin an den Reglern) und der Schlusstrack "Evil twin" nehmen  charmant alte Ideen auf und überführen sie auf gelungene Art und Weise in die Gegenwart. 

Doch in der Mitte des Albums lauern einige Schrecknisse. "Asshole" (mit einer computergenerierten Skylar Grey im Refrain) ist ungefähr so spannend wie das neue Samy Deluxe-Mixtape. Richtig schlimm ist "Berzerk", welches einen eindeutigen Beweis dafür liefert, dass die Achtziger vorbei sind - egal, wie oft man sie noch in Zitatform hochwürgt. 
Ja selbst Rihanna darf wieder mit ihrer Engelsstimme ein Lied verelenden, wobei "The monster" auch ohne die Beteiligung des Fluchauslösers aus der Karibik eine ziemlich fade Angelegenheit wäre.

Mit Spannung erwartet wurde das Feature mit dem neuen HipHop-Wunderkind Kendrick Lamar. Und obgleich dieser Track ("Love game") mit Humor und Selbstironie zu punkten vermag, offenbart er auch, dass Eminem im Jahr 2013 noch immer nicht verwunden zu haben scheint, dass es Frauen auf der Welt gibt.

Über den teils widerlichen Sexismus und die in manchen Songs noch immer offen zur Schau getragene Homophobie möchte ich jetzt nicht übermäßig zeigefingern. Es bleibt lediglich festzustellen, dass in der causa Mathers das Alter nicht direkt mit einem Zugewinn an Weisheit verknüpft zu sein scheint. Nötig oder angemessen ist der ganze Schrott auch im Jahr 2013 nicht.

Das Fazit? Die Raps sind gut, aber verkommen all zu oft zu bloßer Wortakrobatik. Die Beats hingegen sind bestenfalls mittelmäßig - eine Tatsache, die umso mehr auffällt, wenn man sich zu Vergleichszwecken die originale "MMLP" zu Gemüte führt. 

"The Marshall Mathers LP 2" ist alles in allem das beste Eminem-Album seit zehn Jahren. Der kreative Befreiungsschlag ist Slim Shady allerdings wieder nicht gelungen.

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