Dienstag, 12. November 2013

M.I.A. - Matangi (2013)

 8/10

Während andernorts Lady Gaga die Verkunstung des Pop propagiert und dabei zielstrebig dem Abstellgleis entgegenwackelt, hat Mathangi Arulpragasam (besser bekannt als M.I.A.) Interessanteres im Sinn. Die britische Musikerin mit Wurzeln in Sri Lanka erreicht auf ihrem vierten Longplayer "Matangi" wieder einmal das, was Frau Germanotta wohl auch in drei Alben nicht auf die Reihe gebracht haben wird: Eine funktionierende Verbindung aus innovativen Elementen, nihilistischem Pop und der puren Lust am Sound.

"Matangi" nervt wie Sau - und das ist gut so. Beinahe jeder Track beinhaltet harte Bruchstellen, nur selten hält ein sofort nachvollziehbares Songschema die Stücke zusammen. Im Mittelpunkt des kurzweiligen Exzesses steht die durch alle erdenklichen Filteranlagen gejagte Stimme Arulpragasams. Mal säuselnd, mal rappend zieht M.I.A. alle Register ihres Könnens. Dass dabei nicht immer sonderlich tiefsinnige Botschaften vermittelt werden, ist zweitrangig, wobei zugegebenermaßen kaum jemand cooler "boomshakalaka" sagen kann als M.I.A.

So ganz ohne politische Aussagen geht es aber natürlich auch nicht, was beispielsweise das clevere "aTENTion", welches anspielungsreich zur Flüchtlingsproblematik Stellung bezieht. ("Our borough is long like a senTENTs, it's inTENT bitches, it's insTENT. we live with disTENT to presiTENT, for atTENTion about my TENT.)

Die Musik ist eine ebenso eklektische wie elektrisierende Melange aus indischen Melodien, Grime, Jungle, Step-Varianten eurer Wahl und HipHop. Trotz aller verrückten Störelemente und Dissonanzen entwickelt "Matangi" einen immensen Flow, welcher nicht nur Epileptiker auf die Tanzflächen dieser Welt treiben dürfte. Eine gewisse Vorliebe für Tempowechsel und überraschende Klapsmühlenragas sollte man jedoch mitbringen. 

Ohne Zweifel ist das bereits Anfang 2012 als Single erschienene "Bad girls" der Hit des Albums, der Song erinnert stark an jene Zeit als Timbaland noch nicht ausschließlich Müll produzierte und Aaliyah noch unter den Lebenden weilte. Was für ein fieser Ohrwurm, was für ein fantastisches Sample.

Auch "Bring the noize" und "Y.A.L.A" (eine augenzwinkernde Antwort auf den unsäglichen YOLO-Blödsinn) sind nicht ohne Hitpotential, wobei erstgenannter Song auch ganz hervorragend für der nächste Messevorführung einer Presslufthammerfirma geeignet wäre. Das ist Krach, und Krach macht Spaß.

Langweilig wird das Album indes nie. Dass es 57 Minuten dauert, merkt man erst beim erstaunten Blick auf die Uhr, nachdem Stille eingekehrt ist.

An manchen Stellen ist die Musik allerdings nicht ganz so radikal, wie sie sich gebärdet, was gerade im Hinblick auf frühere M.I.A.-Alben als Schwäche ausgelegt werden kann. Besonders "Exodus" und dessen Zwilling "Sexodus" pluckern ein bisschen zu brav aus den Boxen, um vom Hocker zu reißen. Diese kleineren Schönheitsfehler werden durch die zahlreichen Highlights aber mehr als wettgemacht.

"Matangi" könnte mein ganz persönliches Album des Jahres werden. Weil es anders ist. Und weil es nervt wie Sau.

Abschließend soll das herrlich hässliche Cover nicht unerwähnt bleiben. Das rot-grüne Konterfei der Sängerin mit neongrünem Schriftzug reiht sich nahtlos in die an optischen Grausamkeiten nicht arme Diskographie Arulpragasams ein.

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